Die Biographie Dietrich Bonhoeffers in Korrelation zur Entwicklung der Ev. Kirche und des nationalistischen Staates - ein Überblick

1930 - 1932

Autor: Siegfried Walz

18. Juli 1930

Habilitation. Bonhoeffer wird Privatdozent der Theologie der Universität Berlin. Er hielt am 31. Juli seine Antrittsvorlesung zum Thema "Die Frage nach dem Menschen in der gegenwärtigen Philosophie und Theologie"

5. Sept. 1930

Bonhoeffer erhält ein Stipendium für das Union Theological Seminary in New York. Ihm wird am Union Seminary deutlich, dass das Evangelium eine soziale Gestalt hat, nicht nur in der Kirche selbst, sondern in ihrer politischen und sozialen Praxis. "Dietrich Bonhoeffer hat damals gemeint, das sei keine richtige Theologie, aber er hat die Theologie des social gospel dann selbst gelebt" (Prof. Rasmussen).

14. Sept. 1930

Reichtstagswahlen in Deutschland.Die NSDAP gewinnt 107 Mandate (18,2%) im Deutschen Reichstag. Zum Vergleich 1928: 12 Mandate (2,6%)

20. Juni 1931

Rückkehr nach Berlin. Bonhoeffer tritt eine Assistentenstelle im Fach Systematik und das Studentenpfarramt an der Technischen Hochschule an. Im Juli lernt Bonhoeffer den Basler Theologen Karl Barth kennen.

1. Sept. 1931

Beginn der Jahrestagung des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen in Cambridge. Dietrich Bonhoeffer war Mitglied der deutschen Jugenddelegation und wurde zu einem der europäischen Jugendsekretäre gewählt. Am Eröffnungstag der Konferenz erschien auf der ersten Seite der gesamten deutschen Reichspresse eine Erklärung der beiden Theologieprofessoren P. Althaus und E. Hirsch mit dem Titel: Evangelische Kirche und Völkerverständigung.

"Deutschlands Feinde aus dem Weltkriege fähren unter dem Deckmantel des Friedens den Krieg wider das deutsche Volk weiter... In dieser Lage gibt es nach unserem Urteil zwischen uns Deutschen und den im Weltkriege siegreichen Nationen keine andere Verständigung als ihnen zu bezeugen, dass während ihres fortgesetzten Krieges gegen uns eine Verständigung nicht möglich ist... "

Frühjahr 1932

Bonhoeffer übernimmt eine außer Kontrolle geratene Konfirmandengruppe in Wedding. Er verlässt für diese Arbeit sein elterliches Zuhause und mietet sich im gleichen Viertel der Proletarierkinder ein. Die freien Abende gehörten den Konfirmanden. Sie durften unangemeldet zu ihm kommen, um Schach zu spielen oder Englisch zu lernen. Am Wochenende machte er Ausflüge mit ihnen.

13. März 1932

Konfirmations- und Wahlsonntag. Die Kandidaten für das Reichspräsidentenamt: Hindenburg (49%), Hitler (30%), Thälmann (13%), Duesterberg (7%).

12. Juni 1932

Bonhoeffer predigt gegen den Missbrauch des Namens Gottes durch die Regierung Papen:

"Wir lesen, es solle ein ganzes Volk aus dem Zusammenbruch gerissen werden - durch die christliche Weltanschauung... 'Im Namen Gottes, Amen' soll es wieder heißen, Religion soll wieder gepflegt und christliche Weltanschauung ausgebreitet werden... Oder versteckt sich nicht gerade hinter unseren religiösen Tendenzen unser unbändiger Drang nach ... Willkür -, im Namen Gottes das zu tun was uns gefällt, im der christlichen Weltanschauung das eine Volkstum gegen das andere aufzuhetzen?"

Sommersemester 1932

Privatdozent in Berlin. Vorlesung: "Das Wesen der Kirche", Seminar: "Gibt es eine christliche Ethik?"

31. Juli 1932

Reichstagswahl. NSDAP gewinnt 230 Mandate (37,3%).

6. Nov. 1932

Reichstagswahl. NSDAP hat 196 Mandate (33,1%)

1. Dez. 1932

Eröffnung der Charlottenburger Jugendstube, einer Einrichtung für erwerbslose Jugendliche. Geheizter Tagesraum verbunden mit "nützlicher, möglichst berufsvorbereitender Beschäftigung". Die Jugendstube wurde kurz nach dem Umsturz am 30. Jan. 1933 durch Druck von außen geschlossen.